Flucht aus Plymouth

Sorry, Plymouth, ich habe heute kein Foto für Dich....
Plymouth lohnt sich nicht, sagte meine Mitarbeiterin, die während ihrer Studienzeit mit dieser Stadt wohl eine etwas fragwürdige Begegnung hatte.
Mir jedoch fehlte es in meiner Sammlung. So oft war ich bereits in Devon und Cornwall, zwei Grafschaften, die beim deutschen ZDF-Stammzuschauer auf jeden Fall als "Rosamunde-Pilcher-Land" bekannt sind. Aber niemals war ich in Plymouth, und wenn ich an die Pilcherfilme denke, so muss einiges auch dort gedreht worden sein. Ich oute mich ja auch als Fan. Selbstverständlich gehöre auch ich zu denjenigen, welche die Filme allein wegen der Landschaft gucken. 
Was anders sollte daran auch sonst interessant sein? Sie kriegen sich am Ende nach etlichen Irrungen und Wirrungen doch immer, und die Kamera bleibt bei den sich anbahnenden Sex-Szenen immer schön brav vor der Schlafzimmertür. Alles also, bis auf die Landschaft, völlig unspektakulär.

Zwei Nächte möchte ich dort verbringen und habe, trotz mitreisendem Wohnmobil, ein Hotel reserviert, überhaupt nicht beachtend, daß der in der Hotelbeschreibung angepriesene Parkplatz möglicherweise nicht für 7 Meter lange Wohnmobile geeignet sein könnte.
Zunächst einmal erscheint mir Plymouth unübersichtlich, und mein Mann meint, er hätte es sich überhaupt nicht so groß vorgestellt. Das kann ich bestätigen, wenn ich die idyllischen Pilcher-Szenen aus meinem Gehirn abrufe. 
Da steht nämlich dann ein Pärchen in inniger Umarmung oberhalb des Meeres bei einer Art Kurpavillon, eine gartenähnliche Anlage fällt zum Wasser hin ab, und der Blick schweift über recht viel Grün, und ein malerischer Leuchtturm ist auch da.
Das muß die Promenade "The Hoe" sein, die hier auch auf den Straßenschildern ausgeschildert ist.

Um nicht vollends verloren zu gehen, halten wir erst einmal vor dem Hotel, damit ich fragen kann, wo wir einen Parkplatz finden. Ehe der Rezeptionist überhaupt auf meine Frage eingeht, weist er mich darauf hin, daß wir bitte sofort von der roten Spur runter fahren, denn das sei eine Busspur. 
Daß es kein roter Teppich für unsere geschätzte Ankunft ist, habe ich mir natürlich schon gedacht.
Immer wenn wir mit unserem Reisebus unterwegs sind, parken und halten PKW auf den Busspuren und -parkplätzen, ohne Rücksicht auf Verluste, somit dürfen wir an dieser Stelle doch wohl mal zurückschlagen!?

Man erklärt mir, daß der nächst gelegene Parkplatz eine Höhenbeschränkung hat, aber der hinter dem riesigen Shoppingcenter wäre geeignet. Also nichts wie hin, runter von der Busspur, denn in der Tat möchten wir uns nicht mit dem nächsten "bus driver" anlegen. Auch wenn mein Mann tausendmal ein Kollege sein mag, da gibt es sicher keine Gnade. 
Geldbußen sind in Großbritannien wesentlich höher als bei uns, was mein Geldbeutel schon einige Male schmerzvoll erfahren musste. 

Nachdem wir einige Kreisverkehre hinter uns gebracht haben, verliert auch mein Mann die Lust an dieser Rotiererei, obwohl er bei unseren Reisegästen bekannt dafür ist, gern einmal die eine oder andere Extrarunde im "Roundabout" zu drehen und kurz bevor jemandem übel wird, wieder den normalen Weg einzuschlagen.
Jetzt reicht es ihm, und als wir vor dem Parkplatz stehen, der ebenfalls  eine Höhenbeschränkung von 2,10 m hat, bin ich sauer auf den Rezeptionisten. Was denkt der denn wohl, wie hoch so ein Wohnmobil ist?
Es klappt mit unserem 3,05 m hohen Gefährt natürlich nicht, und just in diesem Moment steht die Frage im Raum, wer von uns überhaupt nach Plymouth wollte. 
Nachdem wir das ausdiskutiert haben und uns einig waren, daß wir es beide wollten, aber jetzt wie vom Blitz getroffen gar nicht mehr, wird rechts ran gefahren, sorry, natürlich links, und geguckt, ob unsere Hotelbuchung noch kostenfrei stornierbar ist.
Sie ist! Ich habe dafür noch genau 16 Minuten Zeit. Es geht nur telefonisch über unsere Reisebürohotline, aber Gott sei Dank habe ich eine Flatrate für Telefonate im Ausland und kann mir also entspannt die Taktik anhören, mit der große Konzerne mittlerweile die Kunden bei Laune zu halten versuchen während sie warten.
Drücken Sie die Taste 1, dann die 3, dann bitte warten, und wenn Sie Lust haben, hören Sie sich doch mit Drücken der Rautetaste die ganze Chose nochmal von vorne an. Egal welche Ziffer man auch drückt, man kommt nie in eine bestimmte Fachabteilung und muß sowieso trotz angeblicher Vorauswahl dem Sachbearbeiter alles erzählen was man will.
Ich bekomme jedenfalls mein Geld für das nicht genutzte Zimmer wieder, wobei man mich zweimal darauf hinweist, daß das 7-10 Tage dauern kann. Das ist mir doch herzlich egal, Hauptsache, ich muß hier nicht übernachten.
Mittlerweile ist es schon ziemlich dunkel geworden, aber mein Mann, der routinierte Berufsfahrer, ist dennoch auch mit weiteren 30 Kilometern nicht klein zu kriegen und nimmt wieder Fahrt auf Richtung South Brent, wo ich fix ein neues Hotel anvisiert und reserviert habe.
Und da das ein echter Volltreffer ist, muß auch dieses Mal überhaupt nicht diskutiert werden, wer das ausgesucht hat. Ich natürlich!
Das kleine, süße, niedliche, luxuriöse, ruhige, abgelegene Glazebrook House entspricht genau unseren Wünschen, und vor allem gibt es sehr gutes Essen. Das ist umso wichtiger, als daß es in dieser gottverlassenen Gegend kein weiteres Haus gibt, geschweige denn ein Restaurant oder einen Pub.
Wir speisen ganz vorzüglich, wie eigentlich jedes Mal in England, und ehe ich es vergesse, in Schottland natürlich auch. 
Es gibt in diesem "great small hotel" unglaublich viel zu sehen. Bei der Dekoration scheint eines nicht zum anderen zu passen, man mixt munter alt und modern, aber genau das macht den unglaublichen Charme des Hauses aus. Hier eine Büste der Queen aus Gips, da ein Zimmer mit Vitrinen voller Whiskysorten, eine Straßenschildersammmlung an der einen Wand, Teller und Trommeln an der anderen. All das zur Zeit natürlich angereichert mit weiß-silbernen Weihnachtsbäumen, Deko-Rentieren und Mistelzweigen das ganz Geländer rauf bis zu den Zimmern. Sich da drunter küssen, wie es die Tradition vorsieht, geht nicht, man müsste sich schon auf die Treppe legen, und wir denken uns, daß wir diese beziehungsfördernde Wirkung nicht brauchen und machen erst gar nicht den Versuch.
Allerdings unternimmt mein Mann den Versuch, Plymouth für ein anderes Mal wieder in Angriff zu nehmen, doch ich winke ab. Einmal verloren - sieht mich nicht wieder. Plymouth ist abgehakt. Vielleicht verpasse ich die Stadt meines Lebens, aber damit kann ich leben.










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